priv:schmerzensschweigen
\documentclass{scrartcl} \usepackage[utf8]{inputenc} \usepackage[T1]{fontenc} \usepackage[ngerman]{babel} \begin{document} \title{Schmerzensschweigen} \subtitle{Ein Selbstgespräch} \author{Martin Baute} \dedication{Für Mona, meine Liebe, mein Anker. Für Janine, von der ich gerne wüßte, was sie für mich war, oder sein wird.} \date{} \maketitle \section{} Wenn eine schöne, sehr viel jüngere Frau dir gegen alle Wahrscheinlichkeiten ihre Aufmerksamkeit schenkt\ldots dann ist es quasi vorherbestimmt, dass man sich ein halbes Jahr später hinsetzt und die Scherben aufsammelt. Wenn ich damals geahnt hätte\ldots Genau die drei Punkte sind das Problem. Ich habe keine Ahnung, was ich dann anders getan hätte, was ich anders hätte tun müssen, um jetzt nicht hier zu sitzen und diese Worte niederzuschreiben. \section{} Manchmal wünscht man sich so sehr, dass etwas kommt wie man es sich erträumt, dass es weh tut. Wenn es dabei um eine Beziehung geht, nennt man dass landläufig „verliebt sein“. Von diesem Moment gibt es exakt vier Arten, auf die das Ganze enden kann: \strong{Eins}, der Traum geht in Erfüllung. Alles ist perfekt, und der Himmel voller Geigen. Herzlichen Glückwunsch, und die Chance dass jemand dem dieses Schicksal beschieden war dieses Machwerk auch nur bis hierhin gelesen hat, ist verschwindend gering. Das nennt man „Märchen“. \strong{Zwei}, der Traum geht \emph{teilweise} in Erfüllung. Man lernt den anderen Menschen besser kennen, inklusive aller Schwächen und all der Kleinigkeiten, in denen man eben nicht „perfekt zusammenpasst“. Man findet zusammen, geht getrennter Wege, oder bleibt einfach nur befreundet. Das nennt man „reale Partnerschaft“. \strong{Drei}, man stellt fest dass die Wirklichkeit nicht mit dem mithält, was man im ersten verliebt sein meint im anderen gesehen zu haben. Dass man nicht zueinander passt. Eine ernüchternde, schmerzhafte Erkenntnis, über die man aber hinwegkommen kann. \strong{Vier}, die Zuneigung wird nicht erwiedert, und man verbringt die nächsten Wochen und Monate damit sich klarzumachen (oder einzureden), der andere wäre doch sowieso nicht so perfekt gewesen wie man ihn wahrgenommen hat. Das nennt man „Liebeskummer“. Das klingt klar und logisch, oder? Vor ein paar Monaten hätte ich das noch genau so unterschrieben. Es gibt aber noch einen weiteren Weg: Man kann an der Kreuzung steckenbleiben. Allein gelassen werden mit seinen Fragen. Zum Beispiel der, wie der Weg wohl weiterginge, \emph{wenn man denn weitergehen könnte}. \section{} Was war passiert? Es begann damit, dass mein alter Freund Guido mir erzählte, dass ihm ein Mitspieler aus einer Spielrunde ausgestiegen wäre, und ob ich Lust hätte den freigewordenen Platz einzunehmen. Klar hatte ich. Es machte Spaß, nach so langer Zeit mal wieder mit anderen um einen Tisch zu sitzen und einen geselligen Nachmittag zu verbringen. Die übrigen Spieler waren alle deutlich jünger als Guido und ich, aber was macht das schon? \section{Was ist sie für mich?} Wenn ich das mal so genau wüßte. \section{Vertrauen} \section{Was macht mich eigentlich so fertig?} Grundsätzlich räume ich Spannungen und Mißverständnisse lieber aus, statt sie ruhen zu lassen. Zu leicht passiert es, dass man sich im Stillen lang über etwas ärgert, was der andere gar nicht so gemeint, und vielleicht nicht einmal so gesagt hat. Jetzt aber sitze ich in einer Nebelbank fest, und die einzige Gewissheit, die ich in all den Monaten erlangt habe, ist die, dass ich mich aus diesem Nebel nicht selbst werde befreien können. Ich weiß nicht wie lange ich werde warten müssen, bis sie wieder Kontakt mit mir aufnimmt. Wochen? Monate? Jahre? Wenn überhaupt. Ich weiß nicht wo wir dann stehen werden. Wird sie mir in die Arme fallen, wie es damals im Oktober den Anschein hatte? Wird es ein "Hi" sein, distanziert und bestenfalls freundschaftlich? Oder hat sie bis dahin für sich entschieden, doch gar nichts mit mir zu schaffen haben zu wollen, weil ich nicht geduldig genug war? Was wird sie von mir erwarten? Wird sie bereit sein, meinen Schmerz -- und den derer, die mich haben leiden sehen -- wahrzunehmen, die Verantwortung dafür zu tragen, und gemeinsam die Verwundungen heilen wollen? Oder wird sie erwarten, dass wir alles was war ohne weiteres akzeptieren? \section{Was will ich?} Anfang Oktober 2016 haben wir uns gesagt, dass wir ineinander verliebt sind, und uns gut vorstellen könnten, dass da mehr daraus wird. Bis sie dann mit der Schule fertig ist und in Schottland studieren -- und dann da bleiben -- will. "Aber das sind noch zwei Jahre hin, da kann noch viel passieren." Seit Monaten -- ziemlich genau seit Marek \section{Die Gedankenbrezel} Wenn ich denke, dass sie tatsächlich etwas für mich empfindet, dann macht es mich unendlich traurig, dass sie mir nicht genug vertraut hat, um mich mitzunehmen durch diese langen, dunklen Monate. Und ich bin enttäuscht, dass ich sie nicht erreichen konnte, sie mich als aufdringlich und lästig empfindet wo es doch so anders sein sollte. Und ich frage mich, wie stark ihre Zuneigung zu mir ist, oder //gewesen// ist, wenn es trotzdem nicht dazu gereicht hat: Auch nur ein Stück weit auf mich einzugehen, als ich signalisiert habe -- früh, und wiederholt, und mit wachsender Verzweiflung -- dass ich mit der Situation so nicht umgehen kann, dass ich einen Menschen für den //ich// etwas empfinde, nicht auf unbestimmte Zeit ignorieren kann. Das ich die Spannungen zwischen uns nicht ignorieren kann. Und dann frage ich mich, wie stark ihre Gefühle sein können, wenn es für diese Empathie nicht reicht. Wie stark eine Beziehung zu einem Menschen werden kann, der a) so kaltherziges Verhalten zeigt und offensichtlich als "normal" erwartet, und der b) es hier in Deutschland (und damit meiner Gegenwart) eh nicht aushält und von der Zeit "bis Schottland" ein gutes Viertel weggeworfen hat ohne auch nur ein Wort zu verlieren über gemeinsame Zukunft. Es mag ja sein dass sie nicht im Vorraus plant, aber //mich// treibt dieser Gedanke um und um. Und wenn ich denke, dass sie nichts für mich empfindet, oder nicht genug, dann macht es mich zornig, dass sie nicht genug Rücksicht nimmt, um mich aus dieser Falle des Unwissens und Schweigens zu entlassen. \section{Abschied} Ich weiß nicht, wer Du bist. Ich dachte eine Zeit lang, Du könntest ein Licht in meinem Leben sein, jemand den ich bereit war auf Händen zu tragen und alles zu geben, was ich geben kann. Ich weiß nicht, was ich für Dich war. Ich weiß nicht, was ich Dir getan habe, in diesem Leben oder in einem anderen, dass ich diese gleichgültige Grausamkeit verdient hätte. Ich weiß nur, dass Du mich seit November durch die Hölle hast gehen lassen, indem Du jede Bitte um Klärung abgeschmettert, und Dich immer weiter zurückgezogen hast. Ich sage nicht, dass ich Dir Deine Erklärungen nicht glaube. Aber ich sage, dass jede einzelne davon zu spät kam, erst auf Nachdruck von mir, und ohne Bedauern oder Verständnis meine Gefühle als irrelevant beseite schob, mich entwertet zurücklies. Und ich werfe Dir vor, dass Du weder den Mut noch den Anstand hattest, die Verantwortung für das zu übernehmen, was Du mir antatst. Im Gegenteil hast Du mir Vorwürfe daraus gemacht. Statt mir mit irgendeinem Wort zu zeigen, dass Du bereit wärest genauso stark zu mir zu stehen wie ich es seit Monaten tue; statt mir irgendwie zu bedeuten dass Du es begrüßen würdest wenn ich am Ende dieses Tunnels noch auf Dich warten würde, hast Du mich immer wieder fortgestoßen -- doch ohne mich mit der anderen Hand auch loszulassen. So werde ich mitgeschleift, zerschunden, zerschlagen, ohne Hoffnung und ohne die Gewissheit, wirklich loslassen zu können. Und das positivste, das ich zu hören bekomme, ist ein "Du musst ja nicht, ich würde es verstehen wenn du losläßt." Wenn Du so mit Liebe umgehst, will ich von Deiner Liebe nichts haben. Dein Vertrauen hat mir wohl getan. Deine "Liebe" ist dabei, mich, meine Frau, meine Familie zu zerstören. Und Dir ist es egal. \section{Splitter} ...versetzt mit vielen kleinen Vorwürfen, ohne mir den Raum zu geben mich zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. ...verlangst von mir, mit einer Konsequenz, Energie und Opferbereitschaft für ein "uns" einzustehen, wie Du sie im Gegenzug nicht auch nur angedeutet hast. Trauer um das Verlorene? Freude auf das Kommende? Oder zumindest //Verständnis// und //Verantwortung// für den Stress des dazwischen hängens? Den geliebten Menschen in einer schweren Zeit wissen, aber nicht daran teil haben zu dürfen. In einer schweren Zeit zu stecken, aber der geliebte Mensch will davon kein Teil sein. Ich habe Angst vor Dir. Vor dem was Du mir noch antun könntest. Und Du unternimmst nichts, mir diese Angst zu nehmen, oder sie zu lindern. Was die Angst nur verstärkt. Wenn das ist, was Dir eine Liebe wert ist, dann habe ich nicht die Spur einer Chance, Dir hier eine Heimat zu bieten. Dann //muss// ich Dich an Schottland verlieren, weil für Dich nichts zählt als Du selbst. Warum also sollte ich investieren? Der Teil von mir, der eine Beziehung wollte, im Zweifel gelassen. Der Teil von mir, der eine Freundschaft wollte, auf Abstand gehalten. Der Teil von mir, der sich kümmern wollte, in Sorge gelassen. \section{} Es wurde Ende Mai, bis ich einen Ausweg aus all dem fand. Ich weiß nicht mehr genau, welche Gedanken es waren, die mich klarer sehen ließen: Es war nicht ein großes, zusammenhängendes Stück Mist durch dass ich mich da wühlen musste, sondern zwei voneinander unabhängige Probleme: \begin{description} \item[Beziehung]~-- Sie will nicht mit mir sprechen. Warum, wieso, ob und wann sich das je wieder ändern wird, ich habe keine Ahnung, und das zu klären liegt weder in meiner Macht noch in meiner Verantwortung. \item[Bewältigung]~-- Ich drehe mich gedanklich seit Monaten im Kreis, mache mich und die Menschen um mich herum halb wahnsinnig vor Gram und Verzweiflung, und finde keinen Weg heraus. Das bin ich, meine Verantwortung, und ich alleine habe es in der Hand das zu ändern. \end{description} \end{document}
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